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Die Liebe der Österreicher zum Bargeld
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  • Michael Mahlknecht
  • 2019-01-27

Im österreichischen Nationalratswahlkampf 2019 kamen von den ehemaligen Regierungsparteien ÖVP und FPÖ Vorschläge auf, den Einsatz von Bargeld in der Verfassung zu verankern. Auch der designierte Governeur der Nationalbank OeNB äußerte vor seinem Amtsantritt, dass er Bargeld als Zahlungsmittel für unverzichtbar halte.

Die Liebe der Österreicher zum Bargeld ist weder neu noch ungewöhnlich - in anderen Ländern (wie etwa Japan oder auch Italien) wird ebenso gerne mit Scheinen und Münzen bezahlt. Und selbst in Schweden, wo der Bargeldumlauf deutlich zurückgegangen ist, wächst der Widerstand gegen dessen Abschaffung. Die Bewegung „Bargeld-Aufstand“ (kontantupproret.se) wurde vom ehemaligen Reichspolizeichef und Interpol-Präsidenten Björn Eriksson gegründet und kämpft gegen das Verschwinden des Bargelds an. Und die schwedische Nationalbank (Riksbank) prüft die Einführung der digitalen eKrona - nicht, weil sie das Bargeld abschaffen möchte, sondern um die Vorteile des Bargelds (wie den direkten Zugang zu Zentralbankgeld) bewahren zu können.

Was aber sind die gängigen Bedenken sowie Argumente für und gegen eine Abschaffung des Bargelds?

Hygiene

Ein gängiges Argument gegen das Bargeld ist zugleich das schwächste: dass Bargeld nämlich unhygienisch sei und damit gesundheitsgefährdend. Intuitiv leuchtet diese Aussage zwar ein und sie scheint zunächst von Studien gestützt zu sein. So haben etwa Forscher der New York University (das so genannte „Dirty Money Project“) 2013 auf US-Dollar-Noten knapp 3.000 Arten von Bakterien festgestellt. 

Allein, es sind zwar sehr viele Bakterientypen auf Banknoten feststellbar, die Menge der einzelnen Bakterien ist jedoch gering und reicht im Normalfall nicht für eine Erkrankung aus. Zudem gelangen die Bakterien dabei typischerweise nur auf die Hände (solange man die Scheine nicht in den Mund nimmt), nicht aber in den Körper hinein - ebenso wie jene Keime, die sich in U-Bahnen, auf Türgriffen, auf öffentlichen Automaten finden oder beim Händeschütteln übertragen werden, oder wie jene multiresistenten Erreger, die gerade in Krankenhäusern häufig lauern können. Es ist daher wenig überraschend, dass Ärzte zum regelmäßigen Händewaschen aufrufen, nicht aber zum „Entzug“ von Bargeld. 

Dies gilt selbst für Patienten mit deutlich geschwächtem Immunsystem, etwa nach einer Stammzelltransplantation - die entsprechenden Ratgeber warnen in der ersten Zeit vor dem Kontakt mit Menschenmassen, kranken Menschen, Tieren oder Pflanzen, nicht aber vor Bargeld.

Die wenigen Keime, die sich auf Münzen oder Geldscheinen finden, reichen also üblicherweise gar nicht aus, um Infektionen zu verursachen. Im Gegenteil können sie hingegen die menschliche Immunabwehr trainieren und stärken.

„Die Politik will uns das Bargeld wegnehmen“

Diese oder ähnlich formulierte Befürchtungen sind im politischen Diskurs zu hören. Den Hintergrund bilden verschiedene Entwicklungen und Diskussionen, wie etwa:

- die Abschaffung des 500-EUR-Scheins durch die EZB

- der Trend zum digitalen Zahlen besonders in Schweden (gepaart mit der Befürchtung, dass Händler kein Bargeld mehr annehmen könnten)

- verschiedene Diskussionen von Ökonomen und besonders durch den IWF in Bezug auf Bargeld und Negativzinsen (die ebenso wenig populär sind im allgemeinen Diskurs)

Allerdings gibt es weder durch die jeweiligen Regierungen noch durch die EZB oder den IWF den Plan, das Bargeld gänzlich abzuschaffen:

- Befürworter der Abschaffung großer Geldscheine versprechen sich davon, illegale Aktivitäten wie Schwarzarbeit oder Terrorfinanzierung erschweren oder zurückdrängen zu können. Als erster Schritt zu einer völligen Abschaffung kann dies daher nicht angesehen werden.

- Die schwedische Regierung will mitnichten das Bargeld abschaffen. Der Bargeldumlauf relativ zum BIP ist in Schweden seit Jahrzehnten rückläufig, und einen starken Schub zur Digitalisierung von Zahlungen gab es seit 2012 maßgeblich durch die mobile Zahlungs-App Swish, die vom Bankensektor lanciert wurde. Ähnliche Wirkung könnten in unseren Landen künftig Angebote wie Apple Pay, die Umsetzung von Sofortüberweisungen mittels TIPS oder auch private Initiativen (z.B. durch digitale Lösungen für den Handel) zeitigen.

Anstatt das Bargeld abschaffen zu wollen, zielt die Riksbank mit ihrem eKrona-Projekt vielmehr auf das Gegenteil ab: die Einführung eines „digitalen Bargelds“, das für die Bürger weiterhin eine direkte Forderung gegen die Zentralbank (anstatt gegen die Banken) ermöglichen soll und zumindest teilweise ihre Anonymität wahren kann (indem Prepaid-Karten verwendet werden).

- Der IWF schließlich hat sich in einer Studie (paper) damit befasst, welche Möglichkeiten es gibt, Negativzinsen noch niedriger zu drücken, also: die Untergrenze für Zinssätze (die derzeit knapp unter liegt) noch weiter absenken zu können. 

Ein Hindernis für eine solche Politik ist das Bargeld, und daher werden im Papier drei Möglichkeiten erörtert: die Abschaffung des Bargelds (die jedoch nicht vorgeschlagen wird), die Besteuerung von Bargeld (wobei z.B. jedes Jahr Geldscheine mit bestimmten Seriennummern für ungültig erklärt werden könnten) und eine dritte Möglichkeit, die darin besteht, einen Wechselkurs zwischen Bargeld und elektronischem Geld einzuführen, der das Bargeld im Gleichklang mit den Negativzinsen abwerten würde. Ein 100-EUR-Geldschein würde somit zu einem gewissen Zeitpunkt nur mehr so viel wert sein wie z.B. 97 EUR an digitalem Geld.

Eine solche Lösung (und allgemein der Eintritt in eine noch systematischere Negativzinspolitik) wäre zweifellos kritisch und mit höchster Vorsicht zu diskutieren. Eine vollständige Abschaffung des Bargelds wäre damit freilich nicht verbunden - wenn auch eine Einschränkung seiner Wertaufbewahrungsfunktion. Bargeld wird allerdings auch durch Inflation entwertet, und die Diskussion über Zinsen kann nicht sinnvoll von jener über die Inflation isoliert geführt werden.

Zuletzt sei angeführt, dass in anderen Ländern nicht politische Akteure, sondern private Unternehmen „beschuldigt“ werden, das Bargeld abschaffen zu wollen. In Schweden gibt es solche Vorwürfe sowohl gegen Banken als auch gegen Kreditkarten-Anbieter (siehe Cards-on-the-Table-Report). Gerne wird dort darauf hingewiesen, dass manch eine Studie über „unhygienisches Geld“ von Unternehmen wie MasterCard finanziert oder verbreitet wurde - selbst wenn dies sicher nicht für jede dieser Studien gilt. 

CO2-Emissionen

Ebenso gibt es von Seiten der Banken in Schweden das Argument, dass der Transport von Münzen und Banknoten hohe CO2-Emissionen mit sich bringen würde - die Swedbank spricht etwa von 700 Tonnen CO2 pro Jahr. Umfangreiche Daten oder unabhängige Studien existieren dazu jedoch bisher nicht.

Kriminalität und Anonymität 

Der anonyme Charakter des Bargelds kann verschiedene kriminelle Aktivitäten begünstigen (Schattenwirtschaft), und aufgrund seines physischen Charakters kann Bargeld gestohlen werden. Wie oben angeführt, könnte das erste Problem durch die Abschaffung größerer Banknoten eingeschränkt werden - kann hierdurch aber nicht verhindert werden.

Zur Gefahr des Diebstahls ist anzumerken, dass Kreditkartenbetrug und ähnliche kriminelle Aktivitäten zu mindestens genau so hohen Schäden führen können.

Was die Anonymität angeht, so gibt es umgekehrt die Befürchtung vieler Bürger, durch die Abschaffung des Bargelds zu vollständig gläsernen Bürgern zu werden. Wie die Überlegungen der Riksbank zeigen, könnte aber auch „Digital Cash“ durch die Verwendung von Kartenprodukten eine gewisse Anonymität ermöglichen.

Kosten für Unternehmen und Banken

Bargeld ist mit Kosten verbunden, die mit deren Handhabung, Lagerung und Transport verbunden sind und die potenziell signifikant sein können. Mit zunehmender Akzeptanz von digitalen Diensten kann es daher für Händler, aber auch für Banken ökonomisch sinnvoll werden, die Akzeptanz von Bargeld aufzuheben oder dieses zu erschweren.

Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass auch für andere Zahlungsmittel relevante Kosten anfallen (z.B. für Kreditkarten) und dass das Bargeld immer noch ein sehr schnelles und günstiges Zahlungsmittel sind. Dies hat wohl jeder schon einmal an der Supermarkt-Kasse erlebt, wenn der vorhergehende Kunde eine Karte zückt und einen PIN eingeben muss. Bestätigt wird dies durch eine Studie der Deutschen Bundesbank (studie-zahlungen-mit-bargeld-sind-schnell-und-guenstig) von 2019, wonach an der Ladenkasse die Barzahlung noch immer das schnellste und kostengünstige Zahlungsmittel ist.

Zugang zu digitalen Zahlungsmitteln

Kritiker der „Bargeld-Abschaffung“ monieren, dass nicht alle Menschen in gleichem Maße Zugang zu Bankkonten, Kreditkarten oder Zahlungsdienstleistungen besitzen. Genannt werden dabei Kinder, alte Menschen oder Migranten, die durch eine Abschaffung des Bargelds diskriminiert würden.

Dem gegenüber stehen folgende Tatsachen:

- die fortschreitende Digitalisierung: immer weniger Menschen besitzen nicht die Fähigkeit, mit modernen Lösungen umzugehen, und immer weniger Menschen fehlt der Zugang dazu; in Stockholm wurden sogar schon Obdachlose mit Kartenlesern für Kreditkarten ausgerüstet

- wie oben erwähnt, kann es bei „digitalem Bargeld“ auch Kartenprodukte geben für die alltäglichen Zahlungen

- Diskriminierung bzw. der Ausschluss vom Zahlungssystem könnte auch durch andere politische Maßnahmen vermieden werden.

Stromausfälle, Infrastrukturprobleme

In unserem Alltag sind wir gewohnt, praktisch jederzeit Zugang zu Strom und Internet zu haben. Dies ist aber keineswegs ausnahmslos der Fall. Das Netz ist mancherorts schwach und man sollte „Murphy“s law“ nie unterschätzen. Dem Autor dieser Zeilen ist es etwa bei einer Geschäftsreise vor Jahren passiert, dass Bankomat-Karte und Kreditkarte hintereinander ausgefallen sind. Jegliche Zahlungsmethode kann in bestimmten Situationen (Notfällen) ausfallen, was nur durch die Bewahrung einer Vielfalt von Kanälen und Methoden ausgeschlossen werden kann.

Forderung gegen die Zentralbank, nicht gegen private Akteure

In der allgemeinen Debatte wird ein wesentlicher ökonomischer Aspekt merkwürdigerweise meist vergessen: Bargeld ist Zentralbankgeld, eine Forderung direkt gegen die Zentralbank, ganz im Gegensatz zu Guthaben bei einer Bank (oder in einem Wallet), die nur begrenzt (durch die Einlagensicherung) abgesichert sind.

Fazit

Bargeld ist ein emotionales Thema, sowohl was die Befürworter angeht als auch dessen Gegner. Das eKrona-Projekt in Schweden versucht, zwei bisher einzigartige Stärken des Bargelds (Anonymität und Zugang zu Zentralbankgeld) auf digitale Weise zu bewahren. Solange aber nicht auch das Problem möglicher Zugangsprobleme (technisch oder für bestimmte Gesellschaftsschichten) befriedigend gelöst ist, kann eine vollständige Abschaffung des Bargelds nicht erwartet oder befürwortet werden.

Hier nicht diskutiert wurden zudem die komplexen und schwer voraussehbaren gesamtökonomischen und geldpolitischen Folgen „digitalen Bargelds“ (etwa wenn Bankkunden ihre Einlagen im Krisenfall schneller abziehen; wenn bei verzinstem digitalem Bargeld eine Konkurrenz der Zentralbank zu kommerziellen Banken besteht, mit Auswirkungen auf deren Geschäftsmodelle; oder falls das Negativzins-Regime verfestigt und vertieft würde). Aus solchen und ähnlichen Gründen sind Zentralbanken in Dänemark (siehe etwa digital currency in denmark) oder auch in Deutschland noch vorsichtig, wenn es um die Digitalisierung von Zentralbankgeld geht.

Es bleibt daher zu wünschen, dass die Debatte um das Bargeld weniger von Emotionen und Präferenzen, sondern mehr von ökonomischen Fakten und Analysen bestimmt wird.

Fragen oder Anmerkungen gerne an:

hmmahlknecht@gmail.com

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